Von Kanyakumari im Bundesstaat Tamil Nadu bin ich mit dem Zug 3 1/2 Stunden nach Varkala in Kerala gefahren. Im Frauenabteil, und ich bin mit einigen Frauen ins Gespräch gekommen, ganz jungen und einer älteren. Für alle ist befremdlich, dass ich allein reise, dass ich einen Sohn habe, ohne verheiratet zu sein. Familie und Heirat wird hier ganz groß geschrieben.
In Varkala bin ich erst am North Cliff und etwas erschrocken über das Ausmaß des Tourismus hier, ein Lokal, ein Laden neben dem anderen. Dann ziehe ich nach einer schlaflosen Nacht wegen lauter Musik in der Nachbarschaft in ein wunderschönes guest house am South Cliff, mit eigenem Strandzugang über eine steile Treppe. Leider bin ich so stark erkältet, dass ich das Meer gar nicht richtig genießen kann. Dafür aber die Ruhe und den schönen Blick.
Varkala ist nicht nur wegen des wunderbaren Strands mit den roten Klippen und grünen Palmen berühmt, sondern ist auch eine alte Tempelstadt und bekannt für die Trauerzeremonien am Papanasam-Strand. 16 Tage nach dem Tod (und der Verbrennung eines Verstorbenen) können die Angehörigen dort mit einem Zeremonienmeister in einem hinduistischen Ritus Abschied nehmen. Auch noch Jahre nach dem Tod eines Angehörigen kann diese Zeremonie an dessen Todestag gefeiert werden, dann aber ohne Urne.
Ich wurde aufgefordert, auch so eine Zeremonie (Puja) für einen Verstorbenen zu machen, und am Anfang stehen da wie üblich Verhandlungen über den Preis. Nachdem wir uns einig geworden sind, ging es los.
Ich setze mich dem Puja-Mann gegenüber, er legt zwei kleine Bananenblätter vor mich hin. Darauf kommen Reiskörner, Blüten, Sesamsamen, Stroh, das ich im Dreieck legen sollte, Reisbällchen, Wasser, und immer wieder wird meine rechte Hand mit Wasser übergossen. Die ganzen Dinge bekomme ich nacheinander in die Hand und soll drei Mal im Uhrzeigersinn den Kopf umrunden, bevor ich sie auf dem Blatt ablege. Dazu das Singen und Murmeln des Puja-Manns.
Am Ende der Puja werfe ich ein Bananenblatt hinter mich auf den Strand, für die Krähen, die bei den Hindus für die Ahnen stehen, das andere Blatt werfe ich hinter mir ins Meer.
Arm und reich
Unser homestay liegt an einer kleinen Straße, wie viele andere Privathäuser mit Zugang zum Meer oder zumindest Meerblick. Auf der anderen Straßenseite weitere prachtvolle Villen. Vor diesen Villen auf der anderen Seite eine ganze Reihe winziger Häuser, in denen vielleicht fünf sechs Leute auf sehr engem Raum zusammen wohnen, vielleicht in zwei Zimmern. Manche Männer schlafen vor dem Haus. Die Küche ist auch meist außerhalb. Und ich mit weiß gestärktem Bettlaken, eigener Dusche und Toilette. Allein im Zimmer. 1000 Rupien, 14 Euro, für die Armen eine hohe Summe.
Unse Hausbesorger sagt, dass der Staat den Armen den Grund gegeben hat. Und eigentlich seien die Leute schon besser dran, weil sie ein Steinhaus haben. Arme können auch in bestimmen Läden preiswerte Lebensmittel erhalten, z.b. Reis für 2 Rupien.
Ein bisschen mehr Kontakt habe ich mit einer Familie, die Wasser und ab und zu eine Frucht aus dem Garten verkauft. Ein Schwesternpaar mit Männern und je einer Tochter, die Mutter. Sie sprechen ihre Armut direkt an, ein undichtes Dach, eine nötige teure Augenoperation, Schulsachen für die Kinder. Ich gebe ihnen etwas Geld und kaufe mein Wasser bei ihnen, aber das ist ja nur ein Tropfen auf einen heißen Stein.