Beim Besuch in einem nahegelegenen christlichen Ashram (ich bin dort einfach hineingegangen, weil vor der Tür eine Fußmatte mit „welcome“ lag) tätigt der freundliche Father Alexis bei einer Tasse Kaffee sofort einen Videoanruf beim zugehörigen Bethany Institute for language studies in Tiruvalla. Ich werde eingeladen, die Schule am nächsten Tag zu besuchen und mit den Schüler:innen dort zu sprechen.
Tiruvalla ist 140 km entfernt, 4 Autostunden. Ich bin am Überlegen: es wird sicher sehr anstrengend, die Hitze, 4 Stunden hin, 4 zurück am gleichen Tag, Autofahren, den ganzen Tag auf den Beinen, wer weiß, was mich erwartet usw… Aber dann entscheide ich mich doch dafür und bin vorgestern Abend richtig erfüllt zurückgekommen.
Tiruvalla ist eine Stadt mit 52.000 Einwohnern. Die Stadt ist bekannt als „Town of Non-resident Indians“, eine überalterte Stadt, weil viele auswandern.
Die Schule für deutsche Sprache befindet sich in einem Ashram, der auch ein Wohnheim für obdachlose und arme Männer und ein Altersheim beherbergt.
Vor und nach dem Mittagessen spreche ich mit drei jungen indischen Lehrerinnen, die sehr gut Deutsch sprechen, und mit den Kursteilnehmer:innen.

Ich treffe 25 junge Menschen, die Deutsch lernen, weil sie nach Deutschland emigrieren wollen, zur Ausbildung oder Arbeit als Krankenschwester oder Pfleger, zum Studium oder zur Ausbildung in anderen Berufen. Alle hoch motiviert und voller Energie
Eine junge Frau erzählt, sie habe schon einen Ausbildungsplatz als Krankenschwester im Marienhospital in Erftstadt bei Frankfurt. Für die Vermittlung durch eine Agentur, die auch Zeugnisse u.ä. übersetzt und sich um die Formalitäten kümmert, hat sie -auch für unsere Verhältnisse- sehr viel Geld bezahlt. Eine andere, schon ausgebildete Krankenschwester verdient in Indien umgerechnet 250 Euro im Monat. Sie lässt ihre drei Kinder erstmal bei Mann und Großeltern in Kerala. Ein junger Mann wird zu seiner Frau nach Gelsenkirchen fahren und sich dort ein neues Leben aufbauen. Diese Lebensgeschichten berühren wirklich mein Herz.
Diese jungen Menschen möchten ihre Heimat verlassen, und dabei ist Kerala kein armes, sondern ein relativ reiches und sehr schönes Land mit viel Grün und Wasser, und die Menschen, die ausreisen möchten, sind hochgebildet.



Der Schulleiter und der Leiter des Ashrams haben beide viele Jahre in Deutschland bzw. der Schweiz gelebt und sprechen natürlich hervorragend Deutsch. Vor anderthalb Jahren wurde die Schule gegründet und Varghese hat nach seinem Ruhestand als katholischer Pfarrer in Augsburg die Leitung übernommen.
Nach dem Treffen mit den Deutschlernenden wird mir ein Zimmer mit Bett und Dusche zugewiesen, in dem ich mich anderthalb Stunden ausruhen kann. Leider wird die Mittagsruhe ein bisschen durch den lauten Fernseher des Obdachlosenheims gestört.
Die ganze Fahrt wäre nicht möglich gewesen, hätte sich nicht Fr. Benjamin bereit erklärt, mich nach Tiruvalla zu fahren. Er hat mich um 6.00 Uhr hier abgeholt, und wir sind nach viereinhalb Stunden (inklusive Frühstück unterwegs) in Tiruvalla angekommen. Die Rückfahrt dauerte sogar fünfeinhalb Stunden (inklusive Abendessen). Benjamin ist ein sehr umsichtiger Fahrer und ein offener und sehr sympathischer liebenswürdiger Mensch. Wenn er nicht katholischer Pfarrer und so viel jünger als ich wäre, könnte ich mich direkt in ihn verlieben 😊. Wir hatten schnell einen Draht zueinander, und die Fahrt war kurzweilig und vergnüglich 😁. Eine ganz besondere Begegnung, für die ich sehr dankbar bin.

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Liebe Sigrid, es ist eine riesengroße Freude Deine Blogbeiträge zu lesen. Es freut mich so sehr für Dich, dass Du schöne, berührende Begegnungen mit Menschen vor Ort hast, in der Natur Neues entdeckst und das Land entdecken kannst. Ich wünsche Dir auch weiterhin eine spannende Reise. Liebe Grüße aus dem grauen Berlin Johanna
Liebe Johanna, danke für deine Wünsche. Ja, es ist schon sehr besonders hier. Vor allem die Begegnungen mit den Menschen sind oft sehr berührend.
Liebe Sigrid,
dann hat sich ja der Ausflug trotz des frühen Aufstehens gelohnt. Übrigens konnte ich jetzt doch meine Nachrichten und Deine Antworten lesen. Es braucht, glaube ich, ein bis zwei Tage, bis die Kommentare sichtbar sind. Jetzt geht es ja bald zum Ayurveda, die Wellness-Kur zum Abschluss. Genieße die verbleibende Zeit.
Lieben Gruß
Gert
Lieber Gert, ja leider verlasse ich das Paradies hier am damp. Ich bin gespannt auf die Ayurvedakur. Ich befürchte, dass das kein Wellness sein wird, sondern etwas anstrengend….
Am Samstag!